Freitod der Kinder lässt die Eltern nicht los

Theaterstück „Am schwarzen See“ inszeniert gelungen den schmerzvollen Kreuzweg der Eltern

Eine bleierne Schwere liegt über den zwei Ehepaaren, die sich nach vier Jahren wiedertreffen. Vier Jahre, um die Tragödie, um das schreckliche Ereignis zu verarbeiten, zu vergessen, zu verdrängen. Jeder der vier geht einen anderen Weg, um mit seinem Verlust, seiner Trauer und seinem Schmerz umzugehen. Doch das Verdrängte kriecht immer wieder wie ein Monster unter dem Teppich hervor, schlingt seine klebrigen Arme um die Darsteller, plagt und peinigt sie. Eine Entwicklung, die ausgesprochen interessant anzusehen ist.

Von Antje Stillger

Denn oberflächlich betrachtet versuchen die vier Darsteller des Bonner Theaterensembles déjà-vu, reflektiert und bedacht mit der Tragödie umzugehen. Ein Trugschluss, wie der Verlauf des Stücks „Am schwarzen See“ von Dea Loher in der Brotfabrik zeigt. Musikfetzen des Hits „Mad World“ von den „Tears for Fears“ dringen aus den Lautsprechern, auf der Bühne präsentiert sich eine spartanische Kulisse. Nur ein paar leere Bierkisten dienen als Requisiten, auf denen die Schauspieler sitzen und in beklemmender Atmosphäre das Stück vorantreiben. Zunächst gibt sich das Quartett jedoch offen und heiter. Gemeinsam erinnern sich alle an eine Bootsfahrt im heißen Sommer vor vier Jahren mit Angeln im Mondschein und einem Tanz wie dem der fliegenden Fische.

„Warum soll eine so schöne Nacht vergeudet sein?“, fragte sich der Brauerei-Besitzer Eddie (Steffen Fischer) damals. Jetzt hockt er auf einem Berg Schulden, seine Ehe droht zu zerbrechen. Die vordergründig glatte Oberfläche lässt sich nicht mehr kitten, mit jeder Szene treten neue Risse auf, neues Konfliktpotenzial, unerfüllte Ziele, Wünsche und Träume ploppen auf. Dabei dominiert ein noch tieferer Schmerz diesen Stoff der Auseinandersetzung, hervorgerufen durch den selbstgewählten Tod der Kinder der Paare. In Erinnerungsbruchstücken erzählen die Ensemble-Mitglieder das Erlebte. Jeder für sich, isoliert im Scheinwerfer.

Traumatisierte und mit starrem Blick skizziert Else (Iris Sonntag), wie die Jugendlichen mit dem Boot auf den See fahren, ein Loch in den Holzboden schlagen, Schlafmittel nehmen und sich auf den Grund des Sees sinken lassen. Fassungslos hält Cleo, hervorragend von Sabine Quicke in Szene gesetzt, den Abschiedsbrief der Kinder in den Händen, während sich Johnny (Andreas Görlich) mit inneren Schuldzuweisungen traktiert. Dicht, düster und geprägt von Hoffnungslosigkeit finden die Darsteller keinen Ausweg aus ihrem Unglück. Gelungen inszeniert Regisseur Achim Haag den schmerzvollen Kreuzweg der Figuren, die geplagt von Vorwürfen und der bitteren Frage nach dem „Warum“ für intensive Theatermomente sorgen.

Aus: Kölner Stadt-Anzeiger, 29.02. /01.03.2020